Hochverehrter Herr Geheimrat! Wie ich gehört habe …


Kurz nach seinem 53. Geburtstag bekam Paul Riess Post von Hermann Muthesius, im Landesgewerbeamt tätiger Geheimrat des Preußischen Handelsministeriums zu Berlin, dort zuständig für die Reform der Kunstgewerbeschulen.

Muthesius beschied die von Riess geäußerte Bitte abschlägig, sein Augenmerk bei der Neubesetzung der Leitung der Magdeburger Kunstgewerbe- und Handwerkerschule auf seine Person zu richten. Er könne dies nicht freihändig entscheiden. Das Rennen um die durch den Weggang von Prof. Thormählen im Herbst 1910 in Richtung der Kölner Kunstgewerbeschule vakante Stelle machte dann im März 1911 Rudolf Bosselt, enger Mitarbeiter Peter Behrens während dessen Zeit als Leiter der Düsseldorfer Kunstgewerbeschule.

Foto des Direktorenzimmers der Magdeburger Kunstgewerbe- und Handwerkerschule aus dem Sonderheft der Zeitschrift zum Kunstgewerbeverein zu Leipzig vom Juni 1906 anlässlich der 3. Deutschen Kunstgewerbeausstellung in Dresden.

Der in der Sammlung Werkbundarchiv – Museum der Dinge Berlin, Nachlass Hermann Muthesius, Signaturen D 102-585 und D 102-5251 aufbewahrte Briefwechsel zwischen Riess und Muthesius offenbart, dass Paul Riess bereits vor 1910 einen Wegzug aus Dessau offensiv anstrebte. Riess an Muthesius am 21. März 1910. “Bei früheren Bewerbungen um die Direktorenstellen in Bromberg u. Hanau habe ich bereits Gelegenheit genommen, meinen ganzen Entwicklunsgang dem hohen preußischen Cultusministerium, Abteilung für Handel und Gewerbe, anzulegen. Die erforderlichen Eigenschaften zur Leitung einer größeren Kunstgewerblichen Institution ganz im Sinne unserer heutigen Zeitaufgaben glaube ich mir zusprechen zu dürfen.”

Im Kunstgewerbeblatt ist nachzulesen, dass der Direktor der Königlichen Zeichenakademie zu Hanau, Landesbauinspektor Petersen, 1908 sein Amt niedergelegt hatte, um als Leiter einer Fachklasse an die Unterrichtsanstalt des Königlichen Kunstgewerbemuseums in Berlin zu wechseln. Als sein Nachfolger wurde im Laufe des Jahres 1909 dann der Gold- und Silberschmied Leven eingesetzt.

Mir ist nicht bekannt, ob sich Paul Riess in der Folge erneut als Direktor empfahl, als das Kuratorium der städtischen Kunstgewerbe- und Handwerkerschule Dessau im Herbst 1911 die Leitung derselben im Kunstgewerbeblatt ausschrieb.

Dass sich Riess auch weiterhin für höhere Positionen aufgeschlossen zeigte, zeigt Dr. Norbert Michels, ehemaliger Direktor der Anhaltinischen Gemäldegalerie, der 1997 Verrat an der Moderne. Die Gründungsgeschichte und das erste Jahrzehnt der Anhaltischen Gemäldegalerie Dessau 1927 – 37 herausbrachte.

Darin lässt er Paul Riess in seiner 1919 geäußerten Unzulänglichkeit des Palais Cohn-Oppenheim (Messelhaus) für die Belange des damals dort untergebrachten Landesmuseums zu Wort kommen.

Riess forderte, laut Michels „… die Betreuung der ausgestellten Bilder durch einen ‚kunstverständigen Praktiker‘, wobei er wahrscheinlich nicht zuletzt an sich selbst dachte.“